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documenta fifteen in Kassel

Tief beeindruckt, berührt, schwebend in Leichtigkeit komme ich von meinem Besuch der documenta fifteen nach Hause. In diesem Jahr ist es eine besondere Ausstellung für mich: Ich sehe in den ausgestellten Kunstwerken so viel Menschliches, Sehnsucht nach Gemeinschaft und nach einer Welt, die von Werten des Miteinanders und Unterstützung getragen wird statt nach Gewinnstreben und Leistungsorientierung.

„Neue Worte – neue Werte“ ist der rote Faden, der sich durch die Ausstellung zieht, sich fein verwebt in den Kunstwerken und spürbar zwischen den Künstler*innen. Lumbung ist einer davon, ein indonesisches Wort, das Reisscheune bedeutet. Es bezeichnet jenen Ort, an dem in ländlichen Gemeinschaften überschüssige Ente gelagert und ach gemeinsam definierten Kriterien verteilt wird.

Im Fridericianum gibt es einen großen Raum, direkt im Erdgeschoss, der gefüllt mit

Kreativität und Leben, Humor und Tiefsinnigkeit. Hier haben vor der Eröffnung

Künstler*innen verschiedener Länder der Erde miteinander den roten Faden geknüpft,

was sich in Mindmaps, Objekten, Gemaltem und Gestaltetem wiederspiegelt.

Ich bin berührt und fühle, dass wir uns alle nach Gemeinschaft, friedlichem

Miteinander und Inspiration im Miteinander sehnen. Wir lebten und leben sie seit den

letzten zwei Jahren grenzübergreifend im digitalen Raum, der trotz

Zwei-Dimensionalität im Bildausschnitt auf unsere Gesichter Verbindung, Lachen

und Weinen ermöglicht.

                                                                                 Die indonesisch politische Künstler*innen-Gruppe Taring Padi lebt Monate

                                                                                 vor der Eröffnung der documenta fifteen in Kassel. Sie sieht sich die Stadt

                                                                                 an, erkundet, wie sich ihre Kunst in das Stadtbild einfügen lässt.

                                                                                 Ein herrlich großes Wandgemälde hat mich besonders berührt: Wie ein

                                                                                 Wimmelbild lese ich es, entdecke beim Nähergehen Details, trete einen

                                                                                 Schritt zurück und sehe das Ganze. Es bewegen sich Menschen mit

                                                                                  friedlichem Gesichtsausdruck, gemeinsam getragen von guten Geistern,

                                                                                  in Tradition und Moderne über das Bild. Sie breiten sich mit ihrer

                                                                                  Gelassenheit und Kraft aus, lassen die bedrohliche Seite der Gewalt, des

                                                                                  zerstörenden Einflusses von Geld und Umweltzerstörung kleiner werden.

                                                                                  Ich trete näher an das Bild, sehe schießende Soldaten, deren todbringende Schüsse einfach mit der erhobenen Hand von den friedlichen Menschen aufgehalten werden. Die Patronen fallen ins Leere, die Soldaten kippen wie Figuren und lösen sich auf. Ich tauche in dieses Bild, spüre die kraftvolle Sehnsucht nach Frieden, die sich mit meiner vermischt.

 

Das Kunstwerk hängt im ehemaligen Hallenbad Ost. Dieser Ausstellungsort bringt mich zum

Schmunzeln: Das Becken ist bis 50 cm unter den Rand aufgefüllt mit einem stabilen Boden, ich

betrete den Pool über die alten Trittleitern und setze mich an den Beckenrand, lasse die

Atmosphäre uns ausgestellten Werke in Ruhe auf mich wirken. Beim Eintreten ins Hallenbad

sehe ich alte Schilder wie „Dusche Damen“. Die alten Funktionen des Ortes und der Architektur

verschmelzen zu einem neuen inspirierenden Ort. Ich fühle mich glücklich, weil sich mein Wunsch

nach Verbindung und Sein erfüllt – nach dem, was in unserer Welt bereits da ist und dem was

entsteht darf, verwoben in einer Akzeptanz für Vielfalt.

Verstreut über die Stadt finden sich reflecting Points. Orte der Begegnung, des Innehaltens

und Lachens, die eine Gruppe Kasseler Architekt*innen gestaltet haben. Das Luftbad direkt an der Fulda: aus hellem

Holz geht ein langer Steg mit Umkleiden aus Weidengeflecht über die grüne Wiese. Spät am Samstagabend begegne ich hier Menschen und einem Waschbär: Die einen picknicken gemütlich in der lauen Sommernacht – der andere sucht nur einen Schritt neben mir am Steg nach den Resten zum Futtern.

Getragen von den Eindrücken und der Energie, bin ich wieder in meinen Alltag zurückgekommen. So teile ich hier mein Staunen und meine erfüllte Hoffnung, dass es überall Menschen gibt, die die Sehnsucht nach einer friedlichen Welt schon heute ins Leben Tragen.

documenta fifteen in Kassel

18. Juni - 25. September 2022

www.documenta.de

Taring Padi Hallenbad ost klein_edited.jpg
Hallenbad Ost außen klein.jpg
Collective Problem - Party klein.jpg
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